NORDFRANKREICH (2)

 
 

Wenn du die Grenze zur Normandie überfahren hast, kommst du bald nach le Tréport, einer recht hübschen Kleinstadt mit einem ansehnlichen Hafen und - seit jetzt ca. 2 oder 3 Jahren - einem WOMO-Stellplatz. Er kriegt unterschiedliche Kritiken, aber wenn man was für eine Nacht sucht, reicht er völlig aus. Als wir zum ersten Mal dort waren, fand eine Regatta für Katamarane statt. Das war ein überwältigender Anblick! Blöderweise habe ich das nur gefilmt, ohne davon Fotos zu machen. Aber ein Katamaran so richtig in "Action" wirkt halt nur im Film.
 

 

Küstenabschnitt zwischen le Tréport und Fécamp
 

 



Pont de Normandie

Wir staunen nicht schlecht, als wir bei le Havre die Seine überqueren. Da steht eine Brücke, so etwas Gigantisches haben wir bis dato noch nicht gesehen. Die Pont de Normandie ist ein wahrhaft  ästhetisches Bravourstück der Ingenieurskunst, und wie wir lesen können, lag zwischen Planungs- und Baubeginn gerade mal ein knappes halbes Jahr.
 
Die Brücke hat zwei Pfeiler im Abstand von etwa 850 m; jeder Pfeiler ist 214 m hoch. Zwischen ihnen wölbt  sich an mehr als armdicken Trossen in einem Bogen nach oben (Steigung 6%) eine vierspurige Fahrbahn in 55 m Höhe. Sinn dieser Höhe ist, dass die Hochseeschifffahrt nicht gehindert wird, die Seine zu befahren.
Solltest du gesehen haben, die Maut dafür lohnt sich immer, zumal du auf einem Parkplatz vor der Brücke Rast machen, dir ein Modell der Brücke und zahlreiche Photos während des Baues anschauen und anschließend auf einem eigenen Fußweg die Brücke zu Fuß nach oben begehen kannst.
Besagte Steigung und die berechtigte Hoffnung, dass mich keiner kennt, haben mich irgendwie dazu animiert, meine Inliner rauszuholen und auf dem geteerten Fußweg nach oben und dann vor allem wieder runter zu fahren. Wo sonst hat man eine so tolle Abfahrtstrecke?

 



 Steilküste bei Arromanches
 
 

Die französische Nordküste hat natürlich eine Menge mehr zu bieten.
Die Normandie erlangte ja traurige Berühmtheit durch die Landung der Alliierten (Operation "Overlord") in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944. An dieser nahezu unzugänglichen Küste und von hier aus weiter westlich, landeten 1944 von England aus die Truppen der Alliierten ("D-Day").

Von Osten kommend triffst du bei Arromanches unübersehbar auf die Hinweise dieser schrecklichen Vergangenheit. Schaust du aus dem WOMO aufs Meer, siehst du bei Niedrigwasser einige hundert Meter vor der Küste in einem riesigen Halbkreis angeordnet rechteckige Betonklötze, jeder so an die 50 Meter lang und 15 m breit und 7000 t schwer.
 
Es sind die Reste eines künstlichen Hafens, den die Alliierten in ungefähr 150 Einzelteilen gegen Ende des Krieges von England aus über den Kanal schleppten und vor Arromanches auf den flachen Grund setzten, so dass die großen Landungsboote dort festmachen und ihre Waffen und Soldaten anlanden konnten.
 
Wenn du dich genauer darüber informieren möchtest, sei dir die umfangreiche entsprechende Literatur, der Besuch eines der zahlreichen Museen und/oder des 360°-Kinos in Arromanches empfohlen.
 
Wir sehen an manchen Stellen einige alte Männer in französischen, englischen oder amerikanischen Uniformen, gestützt von jungen Soldaten, mit Tränen in den Augen am Meer stehen, den Blick in die Ferne gerichtet. Es sind wohl ehemalige Kommandeure, die 1944 ansehen mussten, wie hunderte ihrer jungen Soldaten nicht einmal das Ufer lebend erreichten.
Der Kinofilm "Der Soldat James Ryan" mit Tom Hanks beginnt in unmittelbarer Nähe dieses Kriegsschauplatzes.
 
Ich weiß nicht genau, wie viele Soldaten ihr Leben ließen bei dem Versuch, von der Seeseite aus die Küste zu besetzen und ins Landesinnere vorzudringen. Aber die ca. 25 Soldatenfriedhöfe in Nordfrankreich zwischen Le Havre und Avranches sprechen für sich. Der beeindruckendste ist der amerikanische Soldatenfriedhof bei Colleville-sur-Mer am OMAHA Beach. Hier sind auch riesige Tafeln angebracht, auf denen die Schlachtpläne der Alliierten dargestellt sind - verwirrend für einen Zivilisten!

Bei La Cambe befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof; hier ruhen über 21.000 gefallene Soldaten, die meisten - so kannst du auf den Grabkreuzen lesen - waren nicht mal 20 Jahre alt.
Da kommst du ins Grübeln...




von weitem sichtbare Reste des künstlichen Hafens




 
einzelner Ponton am Strand




 
Löcher in den Betonwänden machen neugierig
 





Amerikanischer Soldatenfriedhof mit 9000 weißen Marmorkreuzen;
an vereinzelten liegt ein frischer Blumenstrauß
 

 



gut erhaltene Geschützstellungen an der Pointe-du-Hoc

An dem kurzen Steilküsten-Abschnitt, der Pointe-du-Hoc, landete ein 225-köpfiger texanischer Kommandotrupp. Nach vorheriger Artillerie-Unterstützung vom Kreuzer US-Texas. kletterten die Ranger an hochgeschossenen Seilen vom Strand aus nach oben, um die Stellungen einzunehmen.
Nach zwei Tagen hatten sie gesiegt; es lebten von ihnen noch etwa 90.

Die Franzosen haben es verstanden, dieses düstere Kapitel unserer Geschichte regelrecht zu kommerzialisieren, wobei die Grenzen zwischen Dokumentation und peinlich wirkendem Kitsch schon mal fließend sind.

Du findest aber in Caen ein Museum, das seinen recht hohen Eintrittspreis auf jeden Fall wert ist.
Ansonsten stößt du, wie gesagt, in fast jedem Ort an oder in der Nähe der Küste auf  irgendein "Beutestück" alemannischer Herkunft, das still vor sich hin rostet oder aber mit Hingabe und Sachverstand restauriert wurde und aussieht "wie aus dem Laden".



ein zerschossener Panzer gammelt irgendwo vor sich hin
 

 

Erwähnenswert ist der Ort Ste. Mère-Église:

Als die Amerikaner Fallschirmjäger gegen die deutsche Besatzung einsetzten, verfing sich der Schirm eines Soldaten am Gesimse des Kirchturms. So hing der Unglückliche ziemlich hoch an der Kirche und musste erst mühselig befreit werden.

Ihm und seinen Kameraden zu Ehren hat man einen Fallschirm an dieser Stelle des Kirchturms angebracht, daran baumelt eine Soldatenpuppe.
Gilt heute als Fremdenattraktion...so ändern sich die Zeiten.


die Fallschirmjägerpuppe an der Kirche von Ste. Mère-Église

 

Solltest du dich also für das Ende des 2. Weltkrieges interessieren, sei dir der Besuch des Küstenabschnitts zwischen Cabourg und Cherbourg empfohlen.

Es gibt in fast jedem Ort ein Museum, insgesamt mindestens 25. 

In Sainte-Mère-Église z.B. gibt es das Musée des Troupes Aéroportées.

 

 



 Monsieur zieht unser BABY aus der Versenkung

Unsere Urlaubsstimmung wird leicht getrübt, als wir uns auf einem Campingplatz kurz hinter  Arromanches mit den rechten Hinterrädern regelrecht "einschaukeln".  Der Boden ist durch den längeren Regen so aufgeweicht, dass sich unser BABY bei jedem Ein- und Aussteigen ein ganz klein wenig tiefer in die Erde versenkte, ohne dass wir groß was bemerkten.

Als wir losfahren wollen, sitzen wir unversehens bis zur Achse im durchweichten Boden - was aber dann doch kein großes Problem darstellt:
Der Chef, den wir von unserem Malheur informieren, murmelt so was wie "...pas de problème!" setzt sich in sein Auto, fährt davon und rattert 10 Minuten später in einem ausgewachsenen Bagger an, mit dem er uns ruck-zuck wieder befreit.
"Merci, Monsieur!"
Diese gemeinsame Aktion führt dazu, dass wir anschließend bei Madame und Monsieur zum Kaffeetrinken eingeladen werden. Das zieht sich dann aber über Stunden hin, und als wir am nächsten Tag weiter fahren, haben wir unsere Adressen ausgetauscht.
Leider haben die beiden ihren Campingplatz mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen schließen müssen, aber wir stehen noch heute mit ihnen in engem Briefkontakt.

 


 


 

                                                                                            

===> Fortsetzung