Der fast regenfreie Langzeiturlaub


Nordspanien

 

 

   
Es ist wieder mal sonnig, als wir so gegen halb 10 den Platz in El Rompido verlassen. Außer Irmi und Sigi steht heute nur noch das kleine WOMO unseres spanischen Freundes Rudolpho da, er ist jedoch unterwegs.

Eine knappe Stunde später sind wir schon aus Cartaya, wo wir noch eingekauft und in Sprit investiert haben, wieder raus auf dem Weg zur A49 Richtung Sevilla.

Man fährt zwar einen Winkel, wenn man über Sevilla fährt, aber das ist allemal angenehmer als sich auf einer Nationalstraße durch die ganzen Vorgebirge zu quälen. Ist auch so noch steil genug, ich denke an die elend lange Abfahrt runter nach Sevilla, wenn du von Norden kommst; das müssen wir jetzt wieder hoch.

Wir machen langsam, das BABY wird nicht gequält!

 



a really happy family
 

Natürlich führt unser erster Weg am folgenden Tag zu unserem kleinen Wahl-Engländer und seiner Familie.

Liebe Zeit, was ein Hund in 4-5 Monaten an Größe zulegt; das merkst du nicht, wenn du ihn bei dir zu Hause hast, aber wenn du ihn zwischendurch nicht siehst, bist du doch recht baff.

Jacky und Phil haben für uns eine Überraschung parat:
Sie haben vor, uns auf eine kleine Rundtour in ihrem Auto mitzunehmen und uns einen Teil ihrer spanischen Umgebung zu zeigen.

Der landschaftliche Unterschied zwischen dem spanischen Süden und dem Norden ist gewaltig: Unten ist es selbst im Winter nur wenig grün, sieht man mal von den immergrünen Gewächsen ab. Oft ist der Boden grau-braun, dürr und staubig.
Hier oben in Nordspanien ist es das genaue Gegenteil:
Es grünt fast wie im Allgäu, und: Es ist nass hier oben. Meistens, wie uns die beiden sagen. Das Wetter schlägt gerne mal Kapriolen.

"If you wish other weather - wait for 10 minutes..." witzelt Jack.

Und er hat recht, auf unserer kleinen Tour wechseln Regen und Sonnenschein mindestens fünfmal ab.



künftige Autobahn und alter Pilgerweg zugleich
 

 

Bei der Abfahrt ist es zwar ziemlich bewölkt, aber trocken; wir sind hier auf der noch nicht durchgehend  ausgebauten Autobahn A-8; hier wandern doch tatsächlich hin und wieder Pilger gen Santiago.



nach dem Regen auf der Autovia de Cantabrico A-8 zwischen Santander und Gijón


 

Bei Llovio, das ist südlich der Hafenstadt Ribadasella (liegt am Fluss Sella, daher der Name) verlassen wir die Autobahn. Inzwischen hatten wir kurz Regen, dann wieder Sonne. Der Rio Sella schlängelt sich neben unserer Straße entlang, und wir erfahren, dass er einer der lachsreichsten Flüsse Spaniens ist. Aber der Fluss kann auch anders:

Phil zeigt uns einige Stellen, bis wo der Wasserpegel im vergangenen Jahr bei Hochwasser reichte. Er weist auf eine reparierte Hängebrücke, ca. 3 m über dem Wasserspiegel, die hatte es damals weggerissen.
Und dann kommen wir an ein paar Häusern vorbei, die auf Straßenniveau stehen. Denen stand das Wasser bis zur Mitte des 1 Stocks.

 



Arriondas an der N-634


 


 

In Arriondas biegen wir ab auf die N-625 nach Cangas de Onis.

Jacky und Phil schwärmen seit unserer Abfahrt davon, und sie wollen uns den Ort unbedingt zeigen.
Hier mündet der Rio Güeña in den Rio Sella, aber das allein wäre die weite Fahrt sicher nicht wert.

Eins vorweg:

Wir kommen auf einem großen Parkplatz an, er ist fast voll besetzt, und sehen einen WOMO-Stellplatz. Mit Ver- und Entsorgung.
Er liegt recht zentral, das hat Vorteile, aber auch den Nachteil, dass du immer Teil des Parkgeschehens rundum bist.

Schon die ersten Schritte nach Verlassen des Autos, und du bist gleich am hier gut eingedämmten Fluss.




der Weg in den Ort führt über die rote Fußgängerbrücke


 



eins der vielen kleinen Geschäfte mit hiesigen Spezialitäten


 
Heute ist auch noch Bauernmarkt, dadurch ist der Ort noch lebhafter als sonst. Der Markt ist in weitem Umkreis ebenso bekannt wie beliebt.

Draußen werden hauptsächlich Blumen und Kleidung angeboten.
Drinnen, unter alten Bogengängen, bieten die Landwirte aus der Umgebung ihre selbst gemachten Produkte an.



Planten un Plüdden...


 



wusstest du, dass es so viele unterschiedliche Hülsenfrüchte gibt? Ich jedenfalls nicht


 

Die Tische biegen sich unter dem, was das Land zu bieten hat.

Hier ist die "Bohnenfrau". Nicht zu fassen, wie viele unterschiedliche Bohnensorten es allein gibt.


Wenn du eine halbe Stunde über solch einen Markt gewandert bist ergreift dich ein eigenartiges Hungergefühl und lässt dich nicht wieder los.

An jeder Ecke duftet es anders, aber immer lecker. Aber wär das angebracht, sich so eine Wurscht zu kaufen und dann herzhaft rein zu beißen; oder einen Käse - oder gar beides?

Ulla kommt mit größeren Tüten, drin ist Käse, Honig, Brot, aber wir bleiben standhaft und beißen da jetzt nicht rein. Noch nicht.



ein paar Wurstsorten


 


eine von mehreren Käseabteilungen


 

Das alles sieht nach Wohlstand und Zufriedenheit aus, was man hier sieht.

Immer war das nicht so, es gab Zeiten, da waren die Verhältnisse im heute eher wohlhabenden Nordspanien ausgesprochen ärmlich, viele Familien waren gezwungen auszuwandern.
Beliebtes Ziel war damals Amerika, Land der Verheißung.

Daran erinnert die fast unauffällige und leicht veralgte Bronzestatue des Mannes, der sich nur mit einem Koffer in der Hand auf die unsichere Reise macht; sie steht etwas versteckt und kaum beachtet in einem kleinen Park neben der Hauptstraße.



der Auswanderer


 



bei der Kaffeepause


 

Wir schlendern weiter und haben Lust auf eine kleine Stärkung zwischendurch.
Phil führt uns zu einem Kaffee, gut besetzt und mit riesiger Auswahl. Hier, meint er, wird noch nach alter Tradition gebacken, und zwar vom Chef höchst persönlich.

Die Tischnachbarn rundum erzählen laut und gestenreich - verstehen tun wir aber nix. Die Sprache hier oben in Asturien klingt für unsere Ohren absolut fremd.
Kaffee und Kuchen schmecken ganz hervorragend, Phil hatte absolut Recht.


Da gibt es noch eine echte Sehenswürdigkeit in Cangas de Onis, meint er, nachdem wir uns gestärkt und ein wenig geplaudert haben.
Nicht weit von hier, aber sie sei beeindruckend.

Da biste doch gleich neugierig.


das meist fotografierte Objekt in Asturien: die "römische" Brücke in Cangas de Onis

 

Das ist schon ein beeindruckendes Bauwerk, dieses als "römische Brücke" bezeichnete, aber keineswegs von Römern erbaute steinerne Relikt aus dem 13. Jhrt. 'Relikt' ist eigentlich untertrieben, denn sie ist nach wie vor benutzbar, ist beiderseits ziemlich steil und deshalb unbequem zu begehen, weil sie mit sehr groben Steinen gepflastert ist.

Sie hat nach ihrer Fertigstellung die beiden bis dahin voneinander getrennten Ortsteile von Cangas de Onis miteinander verbunden


Wenn du oben auf der Brücke stehst - wie groß die eigentlich ist, kannst du an den Personen sehen, die du schemenhaft links unterhalb des höchsten Punktes siehst - fühlst du dich wie ein kleiner Feldherr.

À propos "Feldherr". Zu dem komm ich gleich noch.


 



Blick von der "Römischen Brücke" auf die Hauptstraße


 

 

Bei Nacht erst siehst du deutlich das riesige Kreuz ("Cruz de la Victoria"), aus dem Jahr 908,
das an Ketten unter dem mittleren Brückenbogen hängt. Das über 2 m hohe Kreuz ist
eine Nachbildung des "Siegeskreuzes", das Original ahängt in der Kathedrale in Oviedo.




Siegeskreuz unter der "Römischen Brücke"


 

Nun zu dem oben schon erwähnten "Feldherrn".

Dazu musst du nochmal mit ins Auto steigen und mit uns weitere 10 km fahren. Die Gegend ist sehr hügelig bis bergig, sowie wald- und wasserreich.
Schließlich wird es eng, steil und fast ein bisschen duster. Da Ulla und ich ja gefahren werden haben wir Zeit, die Hälse zu verdrehen und uns die Gegend anzuschauen.
Auf einmal stehen Busse rechts auf einem Parkplatz, Menschen laufen die Straße entlang, und dann haben wir Autos vor uns.
Dann wissen wir auch, warum:

Mitten in dem riesigen Waldgebiet hebt sich auf einmal eine riesige Basilika gegen den Himmel ab. Das kommt so überraschend, dass du erst mal nur "BOOOAH!" sagen kannst.


 



taucht auf wie aus dem Nichts:


 



...
die Kathedrale von Covadonga


 

Phil freut sich sichtlich über seine gelungene Überraschung. Und er kann uns auch erklären, was es damit auf sich hat.
Ich geb das mal mit eigenen Worten wieder:

"Covadonga" ist kein afrikanischer Frauenname; es kommt aus dem lateinischen und heißt so viel wie "Höhle des Herrn oder der Herrin". Hier ist eher die Herrin gemeint, deren Marienheiligtum man schon in der Zeit vor dem Jahr 700 in dieser Höhle verehrte. Heute ist Covadonga ein ca. 65-Seelen-Ort, aber auch ein bedeutender Wallfahrtsort.
Aber der Reihe nach:

Im Jahre des Herrn 722 wurde ein adliger Westgote namens Pelayo aufmüpfig gegen die - wie sollte es in Spanien um diese Zeit anders sein - herrschenden Araber, mit denen er sich bis dahin an und für sich prächtig verstand.
Warum: Da wollte doch tatsächlich der muslimische Anführer Pelayos Schwester ehelichen. Aber Pelayo wollte seine Schwester nicht in den Armen eines Muslimen wissen und sagte schlicht: "Nich mit mir!" Aber der Muslim (er hieß wohl Munuza) setzte sich darüber hinweg und aus war's mit der Freundschaft, Pelayo ging in die Wälder und sammelte Aufständische um sich, um seinem ungeliebten Schwager eins aufs Haupt zu geben.

Die Sache hatte nur einen Haken:
Muslim Munuza hatte ein großes muslimisches Heer...

Aber jedes Ding hat ja bekanntlich 2 Seiten:
 

 


Da gab es nämlich auch einen alten Einsiedler.

Der hockte just in dieser besagten Höhle der Herrin an seinem Lagerfeuer, als Pelayo dort zufällig vorbei kam. Der alte Mann stocherte eine Zeitlang in seinem Feuerchen herum und dann weissagte er, dass Pelayo große Heldentaten vollbringen werde und ab sofort unter dem Schutz der Mutter Gottes stünde. Zum Schluss gab er ihm noch ein schlichtes, selbst gefertigtes Holzkreuz mit auf den Weg.
Und wie das so ist, wenn so einer in einer solchen Situation etwas weissagt:

Es wirkte auf den mutigen Edelmann derart überzeugend, dass er das angeblich viel größere muslimische Heer angriff und tatsächlich vernichtend schlug.
Freilich kam ihm dabei strategisch zugute, dass er und seine Mannen das Gelände weitaus besser kannten.

Nach der blutigen Schlacht war Pelayo der King, d. h. er ließ sich von seinen Gefolgsleuten zum König wählen und schuf umgehend das Asturische Reich und damit den ersten christlichen Staat auf der Iberischen Halbinsel. Mit Cangas de Onis als Hauptstadt des Königsreiches!
Und eben von Covadonga bzw. Cangas de Onis aus ging die Wiedereroberung Spaniens durch die Christen los; und die dauerte - das weißt du ja schon von Silves - immerhin noch einige Jahrhunderte. Aber der Anfang war gemacht.
Und weil man die Heilige Jungfrau Maria so verehrte, baute man ihr zu Ehren - wenn auch erst 1886 bis 1901 - die riesige Basilika.
Sie wird bis heute in Asturien als "Jungfrau Maria von Covadonga" verehrt.


hier wird die „Jungfrau von Covadonga“ als Patronin Asturiens verehrt

 
Nach alldem war auch klar, dass es mit der Höhle etwas ganz Besonderes auf sich haben musste:
Sie konnte deshalb auch von den Muslimen nicht eingenommen werden, weil nach Ansicht der Christen diese Stätte unter himmlischem Schutz stand. Fortan war sie Wallfahrtsort und bis heute kommen täglich hunderte Menschen hierher, um sich die Höhle der Jungfrau von Covadonga anzusehen.

Und wenn wir nicht im ausgehenden Winter, sondern im Sommer hierher gekommen wären, hätten wir das Auto sicher 2 km vorher an der Straße abstellen und zu Fuß hoch zur Kathedrale gehen müssen.
Täglich laden -zig Busse ihre Insassen hier ab, die den Wallfahrtsort besuchen, eine Münze in den Teich unter dem Wasserfall werfen und einen Schluck Wasser aus dem "Glücksbrunnen" trinken, der von dem Wasserfall gespeist wird.
   
Es ist schon spät und es regnet auch schon wieder, als wir leicht ermüdet, aber um einige Erfahrungen reicher, wieder zum BABY zurück kommen. An folgenden Morgen verabschieden wir uns von Jacky, Phil und Yago und fahren endgültig Richtung Heimat.
   


ein letztes Mal grüßen die alten Römer...
 
   
 

===> On Tour