Die
"andere" Jahreszeit - und Wein? - und Bowle?
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Wir
folgen der N 244, bis wir den Tejo
überqueren, womit wir aus dem "Alentejo" raus sind.. Kurz dahinter fahren wir für einige Stationen auf die Autobahn A 23 Richtung Castello Branco. Etwas westlich davon ist der kleine Ort Vales, er liegt am Rand der Serra de Alvelos. Was uns erstaunt: Unser TomTom hat alle Sträßchen und Kreisverkehre drauf, seien sie auch noch so abgelegen. Vielleicht kein Wunder: Ich hatte in La Marina/ESP, als wir längere Zeit ins Internet konnten, die neueste Europakarte runter geladen; macht sich jetzt deutlich positiv bemerkbar. Die Straßen werden immer schmaler, irgendwann stimmt die Beschreibung von Ullas Bruder nicht mehr mit dem überein, was wir vorfinden, anders gesagt: Wir haben falsch. Du kennst ja so was sicher auch. Jetzt ist Intuition gefragt, davon hat Ulla jede Menge, und: die Portugalkarte, auf der diese Sträßchen alle drauf sind. Zwischendurch sehen wir kein einziges Haus, obwohl wir nah am Ziel sein müssen. Die Gegend ist umwerfend schön und erinnert an die Allgäuer Berge - vielleicht eine Nummer kleiner und natürlich nicht so fette grün. |
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Da hinten die Häuser, das muss Vales sein. Hier sieht man nicht, dass es bis dorthin noch etliche km auf kurvenreicher Straße sind; erfreulicherweise ist der Verkehr hier fast Null. |
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Nach
kurzer Suche stehen wir vor dem Grundstück von Rosita und Hans-Georg. "WOW!!" Was wir da an den Bäumen hängen sehen, verschlägt uns dann doch einigermaßen die Sprache. Viele Äste biegen sich so weit runter, dass du dich - nicht geschwindelt! - manchmal bücken musst, um dir die Kirschen zu pflücken. Bücken zum Pflücken von Kirschen, nicht Erdbeeren! Das ist es: Du setzt dich auf einem Stühlchen unter einen Baum, hast Schatten und brauchst nur zuzulangen. Jetzt krieg ich eine Ahnung davon, warum Adam und Eva... |
Hier
kannst du übrigens mal sehen, wie tief die Kirschzweige manchmal hängen. Die
Bäume sind aber auch viel niedriger als wir sie bei uns zu Hause kennen. Die Hunde entwickeln sich zu Trüffelschw- nein: Kirschsuchern. Was beim Pflücken runterfällt wird vertilgt. Doch, die Verdauung spielt mit! Und Carissima beobachte ich, wie sie sich die erste Kirsche direkt vom Baum zupft - wie ihre Mutter damals, die sich die Brombeeren im Wald selbst pflückte. |
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Die
Leute hier haben allesamt riesige Grundstücke, 1 ha ist hier klein. Meist
stehen Kirschbäume drauf, aber man hat auch Apfelsinen, Zitronen,
Oliven, Aprikosen, Äpfel, Kiwis und natürlich allerlei Gemüsesorten. Die Kirschernte geht ratz-fatz, schon hast du 6 oder 8 Kilo gepflückt. Irgendwann erhebt sich die Frage: Wohin mit den köstlichen Früchten? Nachdem in den Magen nix mehr reingeht, werden Gläser gespült. Erstes Produkt. Marmelade, das ist nie verkehrt. Geht schnell und hält sich lange. Nachdem der Jahresvorrat und noch etwas mehr fertig ist - das ist am nächsten Mittag der Fall - sucht Ulla sich im Internet Rezepte für Amarenakirschen raus. Inzwischen hat Georg Flaschen gebracht, für Kirschsaft, den wir im Entsafter herstellen, abfüllen und verkorken werden. Jetzt wird experimentiert. Für Amarenakirschen braucht man einen Mandellikör oder ein Mandelaroma. Den Likör kriegt man hier, mit dem Aroma ist es Essig, die Portugiesen kennen das nicht. Und was wir ebenfalls nicht kriegen: Gläser zum Einkochen oder richtige Marmeladengläser. Da haben die Portugiesen Kirschen bis zum Abwinken, aber kein einziges Einmachglas... |
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Ich
mach's kurz: Den Saft herzustellen ist eine üble Angelegenheit, es klebt und tropft überall, ich verbrenne mir andauernd die Finger, aber schließlich sind die Flaschen "abgefüllt und -zack - verkorkst von..". Die Amarenakirschen sind einfach ein Gedicht! Ich bin der Entkerner, sitze stundenlang am Tisch und bis ins Tal hört man ein eintöniges "Klack - Klack - Klack..." Die entsteinten Früchte wandern in die Küche, werden von Ulla verarbeitet und landen in Gläsern. Sie veredeln Quark oder Pudding, mit Vanilleeis ergänzen sie sich phantastisch. Aber auch pur... So, hier machen wir uns auf zu einem 'Stadtbummel'. Wir befinden uns auf einer öffentlichen Straße in Vales, auf dem Weg zu Nachbar Lionel. Der hat Wein gemacht, da wollen wir uns welchen holen. |
Auf
dem Weg zum Wein bewundern wir die schönen Vorgärten. Die Gärten sind so eingefasst, dass du die Straße nur noch mit einem Kinderwegen befahren kannst, so eng ist sie an einigen Stellen. Auch so kommt man zu einer Verkehrsberuhigung. Nach knapp 5 Minuten sind wir schon bei Lionel. |
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Da
sitzt er in seinem Weinkeller, der Gute. Er ist über 70, pflückt während der
Kirschsaison von morgens um 6 Uhr bis abends um 21 Uhr Kirschen. Siesta: 1
Stunde, nicht mehr. Im Herbst wird Wein gelesen, im Winter erntet er, so lange es hell ist, Oliven. Zwischendurch wird noch anderes Obst gepflückt, Gemüse angebaut, die Ziegen werden raus gelassen, bei Regen werden sie drinnen gefüttert (um die Hühner braucht er sich nicht zu kümmern, die sind Selbstversorger), und dann müssen auch noch das Land gepflegt, die Bäume geschnitten und von Schädlingen frei gehalten werden. Auch das Unkraut zwischen den Bäumen wird mit der Sense bekämpft und für die Ziegen eingesammelt. Sonntags kommen Kinder und Enkel, da wird zusammen gefeiert. Die Familie hält fest zusammen. Langeweile kennt der gute Lionel also nicht, trotzdem hat er abends Zeit für die Besucher aus Alemagne; spontan lädt er uns in seinen Weinkeller ein; "Keller" ist übertrieben, denn das Geviert befindet sich ebenerdig in einem alten Steinhaus. |
Gleich
rechts beim Eingang ist in der Steinwand eine Nische, darin ist ein
Wasserhahn und da stehen kleine Weingläser. |
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Sieht
unser Gastgeber, dass dein Glas leer ist, nimmt er es dir wortlos aus der
Hand und füllt nach. Wenn du irgendwann dankend ablehnst, weil du merkst, dass dein Blick allmählich Kondensstreifen zieht, sagt er: "Mejo! Mejo!" - die Bayern würden sagen: "a hoibes!", weist mit dem Zeigefinger auf knapp dreiviertel - und macht es dir dann randvoll. Da soll einer nüchtern bleiben! "Wohlsein!" |
Im
Hintergrund siehst du die ausgesprochen praktische
Wandverkleidung: Bienenwaben aus Betonsteinen für die Weinflaschen. Nur
Fenster und Türen sind frei gelassen. Ich sehe auf Anhieb keine leere Zelle
in den Waben, die letzte Weinlese war wohl ertragreich. Der Wein ist, wie schon gesagt, selbst gemacht, Ehrensache! Der Rotwein hat eine tief blau-violette Farbe, schmeckt außerordentlich kräftig, ist es auch, aber ohne einen säuerlichen Geschmack zu hinterlassen, sein Alkoholgehalt liegt sicher hart an der Grenze des Erlaubten. Nach 2 Stunden machen wir uns fröhlich auf den Heimweg, nicht ohne vorher noch den kleinen Weinvorrat bei Lionel zu erstehen - deswegen waren wir ja, glaub ich, ursprünglich losmarschiert. |
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Das hat man nun davon: Kaum zwei Gläschen Wein - und schon hat sich dein Blick getrübt... |
Der Heimweg ist dann trotz des schweren Weins etwas beschwingter :-) |
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Nach wenigen Minuten sinkt der Nebel,
die Bergspitzen tauchen schon wieder auf. |